Das Gaiberger Wiesenprojekt
Das Gaiberger Wiesenprojekt
Kreative Lösungen sind gefragt, wenn wir dem Insektensterben Einhalt gebieten wollen. Das sagte sich auch Bürgermeisterin Müller-Vogel, als ihr engagierte Gaiberger Bürger vorschlugen, eine artenarme Grasfläche in eine optisch attraktive Insektenwiese zu verwandeln. Kurzerhand pachtete sie vom Landkreis das Parkplatzareal am Ortsausgang Richtung Bammental. Und so konnte im Frühjahr 2020 der Startschuss für ein besonderes Projekt fallen.
Mancherorts werden bunte Blumenwiesen eingesät, die in kurzer Zeit mit großer Farbenpracht erfreuen. Doch sie haben Nachteile: Der Boden muss bearbeitet und pflanzenfrei sein. Oft sind diese Blütenwunder schön anzuschauen, aber nur eingeschränkt insektenfreundlich. Dauerhaft sind sie auch nicht, so dass die ganze Prozedur nach kurzer Zeit wiederholt werden muss. Natürlich gibt es auch Blumenwiesen, die dauerhaft und ökologisch wertvoll sind, weil einheimische Wiesenpflanzen eingesät wurden.
Am Gaiberger Parkplatz wollte man in Ergänzung zu Blumenwiesen dieser Art dennoch bewusst einen anderen Weg einschlagen. Statt die Fläche umzupflügen oder den Oberboden abzuschälen, um die dichte Grasnarbe zu entfernen, entschloss man sich zu einem behutsameren Vorgehen. Die Bürger, von denen die Idee stammte und Frau Müller-Vogel selbst rückten mit Spaten und Hacken an. An einzelnen Stellen wurde das Gras reduziert, verschiedene Großstauden wurden gepflanzt und heimische Wiesenpflanzen eingesät. Herr Stocker und Herr Weber vom Bauhof unterstützten das Projekt, indem sie u. a. im ersten Jahr das Gras um die gepflanzten Stauden herum kurz hielten. Künftig werden sie nur noch einmal jährlich – im ausgehenden Winter – mähen, um die Selbstaussaat der Blütenpflanzen zu unterstützen und die Wiese als Überwinterungsort für Insekten zu erhalten. Auch die Vögel werden Gefallen an den verschiedenen Samen finden.
Einige Experten raten mittlerweile dazu, zur Unterstützung unserer Insektenwelt neben einheimischen Pflanzen auch insektenfreundliche Stauden aus anderen Regionen zu verwenden (die natürlich nicht invasiv sein dürfen). Während die meisten einheimischen Wiesenblumen im Hochsommer verblüht sind, kann so ein vielfältiges Pollen- und Nektarangebot bis in den Herbst hinein gewährleistet werden. Dieser Idee folgt die Gaiberger Insektenwiese.
Die Großstauden, die mehrere Jahre benötigen, um sich zu voller Schönheit zu entwickeln, haben vom Regen der vergangenen Wochen profitiert. Dem flüchtig vorbeifahrenden Autofahrer mag es nicht auffallen. Wer jedoch am Parkplatz verweilt und genauer hinschaut kann schon hier und da – neben alten Bekannten wie Wiesenstorchschnabel, wildem Majoran, Blutweiderich und Wegwarte – auch Riesen-Flockenblume, Kandelaber-Ehrenpreis, Riesen-Sonnenhut, Gelbe Skabiose und Astern bewundern. Und er kann beobachten, wie Schmetterlinge, Schwebfliegen, Hummeln, Wildbienen, Feldwespen und Falter das kulinarische Angebot nutzen.
Das Gaiberger Wiesenprojekt ist auf Langfristigkeit angelegt. Die angestrebte dynamische Entwicklung dieses ökologischen Trittsteins hin zu einer größeren Artenvielfalt wird auch weiterhin begleitet und durch behutsame Eingriffe gefördert.
Text und Bilder: A. Repnow